Kritische Betrachtungen von Andreas Schwarz und Friedrich Schmuck

"Farbe sehen lernen" und "Farbsysteme und Farbmuster"

Kritische Betrachtungen der Theorien von Itten und Küppers durch Andres Schwarz und Friedrich Schmuck in zwei Broschüren des BDK-NRW 2008.

Die beiden Autoren Schwarz und Schmuck haben sich eine "kritische Betrachtung der Theorien von Itten und Küppers" vorgenommen. Was sofort auffällt, ist, dass eine Gegenüberstellung des Itten-Schemas ('Farbkreis') mit meinem Basisschema der Farbenlehre fehlt. Mit Hilfe dieses Itten-Schemas wurde vielen SchülerInnen und StudentInnen nachweisbar Falsches gelehrt. Bedauerlicherweise wird dieses von falschen Voraussetzungen ausgehende Schema heute hier und da immer noch zur Darstellung der Grundzusammenhänge der Farbenlehre verwendet. Mit dem von mir entwickelten Basisschema der Farbenlehre liegt jetzt ein didaktisches Modell vor, das die Grundstruktur der Farbenlehre von wissenschaftlichen Grundlagen ausgehend überzeugend erklärt. Die Argumentationsbasis von Schwarz und Schmuck lässt eine vergleichbare Grundlage vermissen.

Küppers' Basisschema der Farbenlehre erklärt die Arbeitsweise des Sehorgans und die wichtigsten Farbmischgesetze, nämlich die Additive Mischung, die Subtraktive Mischung, die Integrierte Mischung und die Buntmischung. Die sechs bunten Grundfarben befinden sich an den Ecken des Sechsecks der verschiedenen Buntarten und die beiden unbunten Grundfarben Weiß und Schwarz sitzen an den Enden der Geraden der verschiedenen Unbuntarten. (Quelle: Küppers' Farbenkompass. 3-teilige Klappkarte im Postkartenformat mit Abbildungen des Basisschemas, der Farbensonne und der Super-Farbensonne. Langen 2001)

Das Itten-Schema: Die drei Farben im inneren Dreieck nennt Itten Gelb, Rot und Blau und behauptet, es seien Grundfarben. Es sind aber keine Grundfarben, sondern bereits Sekundärfarben. Itten behauptet, die Farben Violett, Grün und Orange in den anschließenden Dreiecken entstehen durch Mischung seiner Grundfarben. Auch das ist falsch, denn es ist unmöglich. In seinem Farbkreis fehlen die Grundfarben Magentarot und Cyanblau vollständig. (Quelle: Johannes Itten. Kunst der Farbe. Ravensburg 1961. Seite 35)

Die Autoren vergleichen den Farbstern von Itten mit meiner Farbensonne. Sie haben offensichtlich Farbstern und Farbensonne nur oberflächlich betrachtet. In der Broschüre ist zu lesen: "im Grunde unterscheiden sie sich nur dadurch, dass in der Farbensonne einige Abstufungen mehr vorhanden sind". Tatsächlich fehlen, was Schwarz und Schmuck entgangen ist, in Ittens Farbstern die Grundfarben Cyanblau und Magentarot vollständig. Die beiden Schemata unterscheiden sich darüber hinaus dadurch, dass in der Farbensonne die sechs bunten Grundfarben in der optimalen Annäherung der Buntart und in der größten Reinheit, die heute im Mehrfarbendruck technisch möglich ist, dargestellt sind. In meinem Basisschema sind sich gegenüberliegende Buntarten, im Gegensatz zum Itten-Schema, tatsächlich zueinander komplementär. Sie lassen sich nachprüfbar zu einem neutralen Grau ausmischen.

Die Farbensonne von Küppers. Farbstrahlen der sechs bunten Grundfarben und sechs dazwischenliegende Buntarten mit Verweißlichungs- und Verschwärzlichungsstufen. (Küppers' Farbenkompass. Langen 2001)

Der Farbstern von Itten: Wertgleiche Ringe von zwölf Buntarten mit Verweißlichungs- und Verschwärzlichungsstufen. Flächige Darstellung der Oberfläche der Farbenkugel von Philipp Otto Runge aus dem Jahre 1810.(Kunst der Farbe. Ravensburg 1962. Seite 115)

Weiterhin wird von Schwarz und Schmuck erwähnt, dass ich in Zusammenarbeit mit der Künstlerfarbenfabrik Schmincke einen Grundfarbensatz von Malfarben entwickelt habe. Es wird aber nicht darauf hingewiesen, dass ein systematisches Mischen mit diesen acht Grundfarben zum von mir so genannten Grauerlebnis führt. Erst jetzt ist es möglich, durch eigenes Farbenmischen zu erleben, wie sich die leuchtenden reinen bunten Gegenfarben (Komplementärfarben) zum gleichen neutralen Grau ausmischen lassen, und zwar zum gleichen Grau, das auch durch Mischung von Schwarz und Weiß entsteht. Dies ist übrigens einer der Beweise für die Richtigkeit meiner Theorie.

Nirgends wird auf die neue Erkenntnis verwiesen, dass für lasierende Farbmittel (wie Aquarellfarben, Druckfarben und Filterschichten der Fotografie) und für deckende Farbmittel (wie Gouache, Lacke oder Künstlerölfarben) verschiedene Mischgesetze wirksam sind. Dies ist aber eine ganz entscheidende Erkenntnis, mit erheblichen Auswirkungen insbesondere auf den Kunstunterricht. Das von mir formulierte Gesetz der Integrierten Farbmischung zeigt, dass es unmöglich ist, aus den deckenden Grundfarben YMC die Grundfarben VGO durch Mischung entstehen zu lassen.

Absorptionskurven der Zapfenflüssigkeiten: H.J.A. Dartnall und J.K. Bowmaker und J.D. Mollon. Human visual pigments of seven persons. Royal Siciety of London. Band 220, Seiten 115-130. Jahrgang 1983.

Ich gehe in meiner Farbenlehre von der weltweit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis aus, dass es in der Netzhaut des menschlichen Auges drei Zapfentypen gibt, die für verschiedene Spektralbereiche empfindlich sind. Die Frage, wie die Absorptionskurven der Zapfenflüssigkeiten tatsächlich aussehen, ist dabei nicht von Belang, insbesondere, was die Konsequenzen im Kunstunterricht anbetrifft.

Bei den auf Seite 20 von Farbe sehen lernen gezeigten Absorptionskurven wird behauptet, ich postulierte diese von mir dargestellten Absorptionskurven. Das entspricht nicht den Tatsachen. Aus didaktischen Gründen habe ich die Empfindungsbereiche der drei Zapfentypen schematisch dargestellt, worauf ich ausdrücklich hinweiwse, und zwar in einer Form, die meinen eigenen Forschungsergebnissen entspricht.

Ich zeige in meiner Farbenlehre die Absorptionskurven, die Dartnall, Bowmaker und Mollon an den Zapfenflüssigkeiten von sieben Versuchspersonen ermittelt haben. Es gibt allerdings in Bezug auf die Absorptionskurven der drei Zapfentypen ganz unterschiedliche Forschungsergebnisse. An den grundsätzlichen biologischen Gegebenheiten ändert sich dadurch jedoch nichts.

Ich gehe in meiner Theorie von der resultierenden Farbempfindung aus, gleichgültig, ob diese durch die Reflexion von Materie oder durch direkt ins Auge fallende Strahlung zustande kommt. Für mich ist Farbe immer und ausschließlich die resultierende Sinnesempfindung. Insbesondere diese wichtige Grundtatsache wird von den Autoren völlig falsch dargestellt.

In meinem System besteht jede Farbnuance prinzipiell aus vier Teilmengen. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis wird von Schwarz und Schmuck nicht mitgeteilt: dass nämlich (beim Mischen deckender Farbmittel nach dem von mir entdeckten Gesetz der Integrierten Farbmischung) grundsätzlich alle acht Grundfarben zur Verfügung stehen müssen, nämlich die sechs bunten Grundfarben und die zwei unbunten. Es ist mit deckenden Farbmitteln unmöglich, eine von diesen Grundfarben durch Mischung zu erzeugen. Viele Schulkinder haben das erfahren, wenn sie mit den untauglichen Farben ihrer Farbkästen arbeiten mussten - und dann auch noch falsche Erklärungen von ihren KunstpädagogInnen erhielten.

Die Autoren erwähnen darüber hinaus nicht, dass es nicht drei, sondern vier ästhetische Unterscheidungsmerkmale der Farben gibt. Und dass diese sich aus den Mengenbeziehungen der Grundfarben-Teilmengen zueinander ergeben, aus denen eine Farbnuance aufgebaut ist.

Schwarz und Schmuck behaupten, dass ich es versäumt hätte, die Farbenordnung im Rhomboeder in einem Farbenatlas darzustellen. Das ist unrichtig. Den beiden Autoren fehlt in ihrer Sammlung von Küppers-Büchern ein wichtiges, nämlich Der Große Küppers-Farbenatlas. 25.000 Farbnuancen aus acht Grundfarben mit Kennzeichnung und Mischanleitung. (München 1987). Jede der gezeigten Farbnuancen ist prinzipiell aus vier Grundfarben-Teilmengen aufgebaut. Auch dies ist ein Beweis für die Richtigkeit meiner Theorie.

Neugebauers Parallelepiped aus dem Jahre 1937 hat unregelmäßige Vierecke als Außenflächen und ist deshalb kein Rhomboeder

Dann heißt es, bereits Neugebauer hätte 1937 (siehe Abbildung) das Rhomboeder in der von mir dargestellten Form als Farbenraum vorgeschlagen. Das ist ebenfalls eine unzutreffende Behauptung. Jedes Rhomboeder ist ein Parallelepiped, aber nicht jedes Parallelepiped ist ein Rhomboeder. Ein Rhomboeder ist ein Parallelepiped mit sechs rhombenförmigen kongruenten Außenflächen. Neugebauers Parallelepiped hat aber sechs unregelmäßige Vierecke als Außenflächen. Das Rhomboeder des Küppers-Farbenraumes hat sechs kongruente Rhomben als Außenflächen, bei denen die kurzen Diagonalen gleich lang wie die Seiten sind. Deshalb zerfällt dieser Farbenraum in zwei Tetraeder und ein Oktaeder, wenn man es entlang der kurzen Diagonalen zerschneidet. Diese drei neuen Farbenräume repräsentieren drei neue Farbmischgesetze.

Es folgt die Feststellung, dass in meinem Rhomboeder-System keine empfindungsgemäße Gleichabständigkeit zwischen den Farbnuancen vorhanden sei. Die Autoren haben hier übersehen, dass eine quantitative Ordnung der Farben in einem Farbenraum, also eine Ordnung nach Mengen, und eine qualitative, also eine nach empfindungsgemäßer Gleichabständigkeit, sich gegenseitig ausschließen. In meinem Buch Die Logik der Farbe. (München 1981. Seite 190) habe ich erklärt, wie man im Rhomboeder-System die Positionen der bunten Grundfarben in Bezug auf die Unbuntachse verschieben muss, um zu einer empfindungsgemäßen Gleichabständigkeit im Farbenraum zu kommen.

Erstaunlich ist, dass es Andreas Schwarz in seiner Broschüre Farbsysteme und Farbmuster unterlässt, auf mein Rhomboeder-System und auf meinen simplifizierten Farbenraum der Sechskant-Doppelpyramide auch nur hinzuweisen. Es gibt außer dem von mir entwickelten Rhomboeder keinen Farbenkörper, in dem sämtliche Farbbeziehungen optimal dargestellt werden. Der schiefe Doppelkegel, den 1895 Kirschmann als Farbenraum vorgeschlagen hat, kann heute beim besten Willen keine Bedeutung in der Theorieentwicklung der Farbe mehr haben. Denn in einer optimalen geometrischen Ordnung der Farben kann es nur geradlinige Beziehungen zwischen allen geometrischen Punkten, also zwischen allen Farbnuancen, geben. Da ist die schiefe Sechskant-Doppelpyramide von Stephan Eusemann, die er vor einem Drittel Jahrhundert vorschlug, eine wesentlich intelligentere Lösung. (Raumklänge im Innenausbau. Würzburg 1975. Seite 16)

Die Broschüren von Schwarz und Schmuck sind aufwändig gestaltet und drucktechnisch in bester Qualität ausgeführt. Bedauerlicherweise trägt dieser große Aufwand nicht dazu bei, dass die neuen Erkenntnisse der Farbenlehre weiter verbreitet werden.

Während es mein Bemühen ist, Ordnung in das Chaos der verschiedenen Theorien zu bringen und den (nur scheinbaren) Widerspruch zwischen naturwissenschaftlicher und künstlerischer Anschauung zur Farbe aufzulösen und didaktisch brauchbare Arbeitsmittel zu entwickeln, wird hier nur Verwirrung gestiftet und darüber hinaus gelangen in die Hände der Lehrkräfte eindeutig falsche Informationen, was für den Kunstunterricht sehr bedauerlich ist. Schade.

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