Wann und warum Farben ihr Aussehen verändern

Die Adaption

Das Sehorgan hat sich im Laufe seiner biologischen Entwicklung an die Gegebenheiten der Lichtverhältnisse angepasst. Die extremen Unterschiede der möglichen Beleuchtungsintensitäten überbrückt es durch Adaptation. Diese Unterschiede können enorm groß sein. Maximale Lichtintensität ist z. B. mittags bei strahlendem Sonnenschein auf einem 4000 m hohen Berg gegeben. Oder in einem Fernsehstudio. Minimale dann, wenn in einem großen Kellergewölbe nur eine einzige Kerze brennt. Diese gewaltigen Unterschiede können nur dadurch überbrückt werden, dass die Anpassung logarithmisch erfolgt. In beiden Fällen ist nach einer Anpassungszeit eine gute Orientierung möglich. Die doppelte Lichtmenge wird dann als eine Helligkeitsstufe mehr wahrgenommen. Wie sich die Blende bei einem Fotoapparat bei starken Lichtintensitäten verkleinert und bei schwachen öffnet, schließt und öffnet sich auch die Iris des Auges. Reicht in extremen Fällen diese mechanische Regulierung der Iris nicht aus, tritt eine physiologische Veränderung der Sensibilisierung ein.

Adaptation ist die Anpassung des Sehorgans an die Intensität des Beleuchtungslichtes.

Die Umstimmung

Beleuchtungslicht kann die verschiedensten spektralen Zusammensetzungen haben, die man Strahlungsverteilungen nennt. Wenn die Sonne abends als glutrote Scheibe am Horizont steht, überwiegen die langwelligen Strahlen. Bei bedecktem Himmel mittags im Sommer haben wir es überwiegend mit kurzwelligen Strahlen zu tun. Wenn Licht verschiedene Strahlungsverteilungen hat, spricht man von verschiedenen Lichtarten. Das heißt, dass die Intensitäten der im Licht vorhandenen Wellenlängen sehr unterschiedlich sein können. Bei Tageslicht finden wir je nach Wetterlage und Sonnenstand die verschiedensten Lichtarten. Ebenfalls bei Kunstlicht. Das Licht einer Glühbirne sendet warmes Licht aus, also Licht mit überwiegend langwelligen Strahlungen. Eine Neonlampe kann dagegen kaltes Licht verbreiten, bei dem die kurzwelligen Strahlungen überwiegen. Zwischen den extremen Lichtarten gibt es alle denkbaren Zwischenstufen. Die Umstimmung des Sehorgans hat offenbar das Ziel der optimalen Erkennung von Farbunterschieden. Sie erfolgt dadurch, dass sich durch Adaptation die verschiedenen Sehzellentypen in der Netzhaut individuell an die Strahlungsintensitäten jenes Spektralbereiches anpassen, für die sie empfindlich sind.

Die Umstimmung ist die Anpassung des Sehorgans an die spektrale Zusammensetzung des Lichtes, an die "Lichtart".

Der Simultankontrast

Farben verändern ihr Aussehen auch durch den Einfluss jener Farben, die sie umgeben. Diese nennt man Umfeldfarben. Wie eine Farbe wirklich aussieht, kann der Kunstmaler nicht erkennen, wenn er sie betrachtet, wie sie aus der Tube kommt oder wie er sie auf seiner Palette sieht. Das Aussehen einer Farbe ergibt sich erst, wenn sie an die gewollte Stelle ins Bild gesetzt ist, durch den Einfluss der Umfeldfarben. Im Empfindungsmechanismus des Sehorgans gibt es eine Art Kontraststeigerung, die dem Zweck dient, Farbunterschiede empfindungsmäßig zu vergrößern, deutlicher zu machen. Das führt z. B. zu der Konsequenz, dass der Maler zwei verschiedene Farben verwenden muss, wenn sie im Bild in unterschiedlichem Umfeld gleich aussehen sollen. Andererseits kann es auch sein, dass er gleiche Farben verwenden muss, damit sie in verschiedenen Umgebungsfarben verschieden aussehen.

Simultankontrast ist die Fähigkeit des Sehorgans, das Aussehen von Farbnuancen durch den Einfluss der Umfeldfarben zu verändern.

Wenn das Aussehen einer Farbe durch die Umfeldfarben beeinflusst wird, nennt man das "Simultankontrast". Jeder der drei waagerechten Innenstreifen ist in sich gleichfarbig. Durch die Umfeldfarben wird aber ihr Farbeindruck verändert. Das kann man leicht sichtbar machen, indem man über die senkrechten Mittellinien einen schmalen Papierstreifen hält. Es genügt schon, einen Bleistift oder eine Schere vor den Monitor so hinzuhalten, dass die senkrechten Mittellinien verdeckt sind.

Der Einfluss des Beleuchtungslichtes

Bei der Wirkungskette zwischen Licht und Farbempfindung haben wir gesehen, dass Material die individuelle Fähigkeit besitzt, vom auffallenden Beleuchtungslicht einen Teil zu reflektieren. Logischerweise kann diese Fähigkeit aber nur dann voll zur Geltung kommen, wenn jene Strahlen, die das Material reflektieren kann, im Beleuchtungslicht auch vorhanden sind. Betrachtet man eine violettblaue Farbe bei warmem, also vorwiegend langwelligem Licht, dann sieht sie schwarz oder verschwärzlicht aus. Denn dieses Material hat die Fähigkeit, kurzwelliges Licht zu reflektieren. Im vorhandenen Beleuchtungslicht ist aber die kurzwelligen Strahlung nur minimal vertreten. Deshalb kann diese violettblaue Farbe bei der zur Verfügung stehenden Beleuchtung nicht violettblau aussehen, denn nicht vorhandene kurzwellige Strahlungen können ja auch nicht reflektiert werden. Aus diesem Grunde wurde Abmusterungslicht, also solches Licht, das zum Prüfen von Farben und zum Farbabgleich zwischen einem Muster und seiner Nachstellung zu verwenden ist, genormt. Wichtig sind die normierten Lichtarten D 50 und D65! Die Lichtart D 50 (5000 Kelvin) entspricht dem direkten Sonnenlicht. Die Lichtart D 65 (6500 Kelvin) entspricht dem mittleren Tageslicht in Mitteleuropa.

Kaum eine Person traut der Farbe, die sie sieht, wenn sie in einer Boutique ein Kleidungsstück kaufen will, das durch Halogenstrahler beleuchtet ist. Man geht mit dem Kleidungsstück ans Fenster oder auf die Straße, um zu sehen, wie die Farbe wirklich ist.

Die spektrale Zusammensetzung der Lichtart hat Einfluss auf das Aussehen der Farben.

Wir sehen die spektralen Verteilungen von sechs verschiedenen Lichtarten. Darunter versteht man die unterschiedlichen Intensitäten der Wellenlängen, die im Spektrum des jeweiligen Lichtes vorhanden sind. In der Abb. A finden wir das Spektrum einer Glühbirne, in B einer Tageslicht-Leuchtstoffröhre. In C ist das Spektrum des natürlichen Tageslichtes zu sehen, wie es im Sommer mittags sein kann, in D, wenn bei schönem Wetter abends die Sonne untergeht. E zeigt das Spektrum einer Xenon-Lampe und F dasjenige einer Abmusterungslampe mit der Lichtart D 50, also mit einer Farbtemperatur von 5000 Kelvin.

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